Val’sharah, Tempel von Elune
Vor ein paar Nächten:
“So viele schon.” Nirnaeth trat neben die Novizin an den Schreibtisch und fuhr mit einer Hand über den Stapel Nachrichtenpergamente. “Sehr gut, Lyjandra, sehr gut. Es geht voran. Hoffen wir, dass alle Nachrichten gut überkommen und wir so viele wie möglich erreichen.” Lyjandra lächelte über das Lob und nickte beflissentlich, ehe das junge Gesicht wieder ernst wurde. “Ob wohl viele kommen werden, Schwester Mondblüte? Ich weiß, der Krieg ist vorbei, aber …", die junge Kaldorei stockte und presste die Lippen zu einer schmalen Linie.
Nirnaeth’s Hand legte sich in trostspendender Geste auf Lyjandra’s Schulter. “…aber ihnen ist vielleicht noch nicht nach Feiern zumute, weil die Banshee entkommen ist?”, beendete sie den Satz. Lyjandra nickte leicht und sah betreten zu der Priesterin auf. Nirnaeth schenkte der jungen Kaldorei ein ermutigendes Lächeln und sprach mit großer Ernsthaftigkeit.
“Die Nachtkriegerin ist dort draußen. Mit Elunes Segen wird sie Sylvanas zur Rechenschaft ziehen, davon bin ich überzeugt und das ist gut und richtig so. Dennoch wird keine Rache der Welt auch nur einen unserer Brüder und Schwestern wieder lebendig machen, noch unser Los erleichtern, mein Kind. Der Schmerz und der Zorn dieses Krieges haben sich wie ein Schatten auf unser Volk gelegt, der das Licht der Sternenkinder dämmt und uns verschlingen wird, wenn wir nicht achtsam sind.” Sie strich der Novizin über das lavendelfarbene Haar. “Schwere Zeiten kommen und gehen durch die Jahrtausende. Wir müssen nach vorne blicken. Es ist Zeit, dass wir diesen Schatten hinter uns lassen und die Kinder der Mondmutter an das Licht der Göttin erinnern. Und an das Leben. Wir brauchen dieses Fest. Unser Volk… braucht dieses Fest.”
Ein sachtes hoffnungsvolles Glimmen war in die Augen der jungen Kaldorei getreten und sogar ein Funken Vorfreude, als sie nachdrücklich nickte. “Ja. Es wäre wirklich schön, mal wieder zu tanzen.” Nirnaeth lachte leise. “In der Tat. Doch vorher haben wir noch einiges zu erledigen.” Sie griff nach dem Mantel, den sie beim Eintreten zur Seite gelegt hatte und schwang ihn sich um die Schultern. Erst jetzt fiel Lyjandras Blick auf die Reisekleidung der Priesterin. Erstaunt hob sie die Brauen. “Oh, Ihr verreist, Schwester?”
“Anu’dora. Zum Hain der Träumer und zur Mondlichtung, um die Organisation mit dem cenarischen Zirkel abzustimmen.” Nirnaeth schloss den mantelartigen Umhang vor der Brust und griff nach Tasche und Stab. Kurz hielt sie inne. “Sorge dafür, dass die Nachrichten so schnell wie möglich versandt werden, Lyjandra. So Elune will, sehen wir uns in ein paar Wochen zur Nor Thori’dal.”
Zuversicht lag im Schwung ihrer Gewänder, als sie sich zum Gehen wandte und ihre Reise antrat.